Jeder kann etwas beitragen zum Natur- und Klimaschutz, sagt Gudrun Rau, ehem. Leiterin der Arbeitsgemeinschaft der Nationalen Naturlandschaften: zum Beispiel Naturpark-Produkte essen.

Frau Rau, warum sollten die Menschen hier im Land wissen, dass es neun Nationale Naturlandschaften gibt?
Gudrun Rau: Unsere Landschaft mit ihrer spezifischen Natur und der großen Artenvielfalt ist unsere Lebensgrundlage. Um Artenvielfalt zu erhalten, werden genügend große Flächen benötigt – das kann nicht ein Natur- oder Nationalpark allein machen. Das gelingt nur in der Vernetzung. In Rheinland-Pfalz machen die neun Nationalen Naturlandschaften aktuell über 30 Prozent der Landesfläche aus. Der Schutz der Flächen reicht nicht aus; sie bedürfen einer nachhaltigen Weiterentwicklung durch behutsame Nutzung. Sonst verlieren wir viele Arten wieder, die sich durch die jahrhundertelange Bewirtschaftung unserer Kulturlandschaften entwickelt haben.

Der Mensch ist also ein wichtiger Faktor Ihrer Arbeit.
Natürlich! Unsere ganze Landschaft ist von menschlichem Tun geprägt. Daher möchten wir die Menschen auch in diesen Prozess einbeziehen – alle, die hier leben und arbeiten und die Gäste, die unsere Regionen besuchen.

Was tun Sie, um die Menschen anzusprechen und zum Mitmachen zu bewegen?
Uns ist es ganz wichtig, nicht nur über den Kopf Erkenntnis zu vermitteln. Wir wollen über authentische Erlebnisse mit allen Sinnen Emotionen, Sehnsüchte, Faszination und Interesse für die Natur wecken. Eine emotionale Bindung an die Heimat schafft Identität und ein Wir-Gefühl. Es weckt die Begeisterung zum Handeln für die heimatliche Natur. Ich kann sagen: Das ist eine wertvolle Wiese mit einzigartigen Orchideen. Das kommt nur bedingt an. Naturschutz muss vor allem auch durch den Bauch gehen. Nehmen Sie zum Beispiel die Streuobstwiesen, unsere Hotspots für biologische Vielfalt. Hier gibt es ganz viel zu sehen, zu riechen und zu schmecken. Viele essbare Produkte, die veredelt und weiterverarbeitet werden, können ganzjährig den Speiseplan bereichern. Aus Äpfeln, Kirschen oder Pflaumen entstehen Säfte, Destillate oder Marmeladen. Im Naturpark Saar-Hunsrück haben wir beispielsweise ein Schulobstprogramm, damit die Kinder verschiedene Obst­sorten kennen und lieben lernen …

… und damit zu kleinen Naturschützerinnen und Naturschützern werden?
Ja, so einfach ist es: Indem die heimischen Produkte verköstigt werden, bleiben regionaltypische Wirtschaftsformen erhalten. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe der Nationalen Naturlandschaften: die Vermarktung der regionalen Produkte zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass die Existenz der Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe gewährleistet bleibt.

Portrait von Gudrun Rau

Gudrun Rau ist Leiterin des Naturparks Saar-Hunsrück und Vize-Präsidentin des Verbands deutscher Naturparke (VDN).

Kontakt

Verband deutscher Naturparke e.V. (VDN)
Holbeinstr. 12
53175 Bonn
Telefon 0228 921286-0
www.naturparke.de

Naturpark Saar-Hunsrück
Trierer Str. 51
54411 Hermeskeil
Tel. +49 (0) 6503 9214-0
www.naturparke.de

Das trägt dazu bei, dass es sich lohnt, in der Region zu bleiben.
Das ist unser Engagement gegen den demografischen Wandel. Wir wollen die regionalen Wirtschaftspotenziale auf nachhaltige Art stärken und Menschen in der Region Zukunft bieten. Wir brauchen Streuobstwiesen und Weidewirtschaft, um Flächen offen zu halten und so die Artenvielfalt zu bewahren. Wir brauchen kurze Wege zwischen Erzeuger und Verbraucher, um das Klima zu schützen. Und wir brauchen Wertschätzung für das, was unsere Regionen so besonders macht.

Diese Wertschätzung haben die touristischen Gäste oft mehr als die Einheimischen.
Das stellen wir oft fest, zum Beispiel, wenn wir neue touristische Attraktionen schaffen möchten. Dann winken die Einheimischen ab und sagen: Da kommt doch keiner, wir haben hier doch nichts Besonderes. Wenn der neue Wanderweg dann als schönster Wanderweg Deutschlands ausgezeichnet wird, die Presse kommt und immer mehr Menschen in Wanderkleidung im Dorf gesehen werden, wächst langsam die Erkenntnis, dass die eigene Region eben doch etwas Besonderes ist. Das schafft so etwas wie Identifikation mit der Heimat – und damit auch die Bereitschaft, sich für deren Erhalt und Weiterentwicklung zu engagieren.

Davon profitieren auch wieder die Gäste?
Das ist eine echte Win-win-Situation. Wer als Tourist in ländlichen Regionen unterwegs ist, sucht das Authentische, die regionale Besonderheit. Das gilt für Reisen ins Ausland genauso wie im eigenen Land. Wenn ich vor Ort mit einem ehemaligen Bäcker im historischen Steinofen Brotfladen backen kann und dabei ein Stück Geschichte der Region vermittelt bekomme, ist das ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt.

In Rheinland-Pfalz gibt es viele Angebote rund um das Thema Wein und Apfelsaft. Wir versuchen Faszination zu schaffen, Erlebnisse, die die Gäste mit nach Hause nehmen – um dann vielleicht in ihrer eigenen Umgebung mit neuem Blick auf die Natur zu schauen und zu würdigen, was sie an Produkten und Lebensqualität bietet.